»The Vibration of Things« or »On Interconnectedness«
Elke aus dem Moore in conversation with Sarie Nijboer
Elke aus dem Moore verlässt nach fünfjähriger Direktionstätigkeit die Akademie Schloss Solitude. Sie spricht über die gesellschaftliche Verantwortung von Kulturinstitutionen, Modelle kollaborativen Arbeitens und kultureller Teilhabe und darüber, was sie der Akademie Schloss Solitude wünscht, und wie sie sich weiterhin konsequent dem Wirken von künstlerischem Denken, Handeln und Forschen in die Gesellschaft hinein widmet.
Elke aus dem Moore im Gespräch mit Prasanna Oommen — Mrz 7, 2023
Elke aus dem Moore: »Mein zentrales Anliegen ist es, Kunst und Gesellschaft stärker zusammenzubringen. Ich glaube zutiefst an das Potential von Kunst für eine gesellschaftliche Weiterentwicklung.« Foto: Kahrmann
Prasanna Oommen: Als wir uns im Jahr 2019 kennengelernt haben, warst du gerade in den Anfängen deiner Direktionstätigkeit an der Akademie Schloss Solitude. Die damalige Begegnung mit dir war sehr inspirierend, weil ich Dir so stark angemerkt habe, dass Du unglaublich viel vorhast. Und nun gehst du nach fünfjähriger Direktionstätigkeit weg von der Akademie. Wie ist deine Stimmungslage?
Elke aus dem Moore: Ich freue mich sehr, dass wir zusammen dieses Gespräch führen und gemeinsam reflektieren, was die von mir initiierte Neuausrichtung und Öffnung der Institution bewirkt hat. Wo steht die Akademie heute? Wie übergebe ich nun diese Institution?
Institutionen sind bisher sehr stark geprägt von ihren jeweiligen Leitungen und den Persönlichkeiten, die sich bereit erklärt haben, diese Aufgabe zu übernehmen. Ich würde mir wünschen, dass Institutionen und die Menschen und Strukturen, die diese Institutionen ausmachen, die ständigen Veränderungsprozesse, mit der wir in der Welt konfrontiert sind, als Potential annehmen. Ein »Übersetzen« institutioneller Strukturen, sei es im Bereich der Diversität oder kulturellen Teilhabe, sowie die Öffnung für künstlerisches Denken, Handeln und Forschen, das stärker in die Gesellschaft gestreut werden kann, ist nötig. Eine der zentralen Veränderungen in der Ausrichtung von Kulturinstitutionen ist, dass sie sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind und dafür Formen der kulturellen Teilhabe entwickeln. Da haben wir an der Akademie Schloss Solitude durch verschiedene Prozesse ein gutes Fundament erarbeitet.
Prasanna Oommen: Du hast ja eben gesagt, dass die Institution immer sehr stark von einer Leitung geprägt wird. Wie bist du damals angetreten? Woher kommst du und was war dein eigenes Ziel, als du diese Stelle angenommen hast?
Elke aus dem Moore: Bevor ich an der Akademie Schloss Solitude als Direktorin antrat, war ich zehn Jahre lang als Leiterin der Kunstabteilung des ifa – Institut für Auslandsbeziehungen tätig und habe den internationalen Kunstaustausch programmatisch durch Ausstellungen, Symposien, Online-Plattformen wie zum Beispiel Contemporary And oder die Internationale Assoziation der Biennalen mitgestaltet. Das waren sehr prägende Erfahrungen im Aus- und Inland, die mein kulturpolitisches (Selbst-)Verständnis sehr geprägt haben. In dieser Zeit hat sich meine Expertise als »Kulturelle Übersetzerin« und Kuratorin im internationalen Kunstaustausch herauskristallisiert.
Internationale Perspektiven in Deutschland zugänglich zu machen und umgekehrt, sprich Perspektiven, Diskurse oder Kontexte aus dem hiesigen Kulturleben ins Ausland zu bringen, waren extrem wichtige Erfahrungen, mit denen ich an die Akademie Schloss Solitude kam. Dort ist die Welt zu Gast durch die vielen unterschiedlichen Perspektiven der Stipendiat*innen.
Ich kam 2003 nach Stuttgart um die Leitung des Künstlerhauses Stuttgart zu übernehmen und davor war ich von 1999 bis 2002 als Kuratorin für zeitgenössische Kunst an der Shedhalle in Zürich tätig. Bereits seit Mitte der 90er Jahre habe ich begonnen Ausstellungen zu kuratieren, die sehr stark künstlerisches Denken, Handeln und Forschen in den Vordergrund stellen. Seit Beginn meiner kuratorischen Arbeit war es mir wichtig, lokale Positionen mit internationalen Positionen zu verbinden. Zentrales Anliegen meiner Arbeit ist es, Brücken zu schlagen, verschiedene Standpunkte zu verstehen und jeweiliges Wissen und unterschiedliche künstlerische Ansätze zugänglich zu machen.
Akademie Schloss Solitude's Jury 2019 (von link nach rechts): Marie-Hélène Gutberlet, Sepake Angiama, Robyn Schulkowsky, Neo Muyanga, Gabi Ngcobo, Michel Bauwens, Siafyatudina, Nikita Dhawan, Rasheeda Phillips, Maya Indira Ganesh und Solitude director Elke aus dem Moore. Nicht im Bild: Yvonne Adhiambo Owuor, C. Giovanni Galizia, Cristina Gómez Barrio & Wolfgang Mayer (Discoteca Flaming Star), Fotini Lazaridou-Hatzigoga, Anh-Linh Ngo, Alya Sebti, Nishant Shah, Stefanie Stegmann und Pinar Yoldas. Foto: Jessica Plautz
Prasanna Oommen: Welche Erwartungen waren mit deinem Antritt verbunden? Du hast dich damals mit dem Konzept des transdisziplinären und themenfokussierten Programms an der Akademie Schloss Solitude beworben, dass dann unter dem Titel »Mutations« umgesetzt wurde. Kannst du darauf näher eingehen?
Elke aus dem Moore: Mein zentrales Anliegen ist es, Kunst und Gesellschaft stärker zusammenzubringen. Ich glaube zutiefst an das Potential von Kunst für eine gesellschaftliche Weiterentwicklung. Zentral in meiner Neuausrichtung sind die neuen Formate des Miteinander-Lernens. In erster Linie das transdisziplinäre Arbeiten, darin ist die Akademie Schloss Solitude sehr stark und prädestiniert in der Zusammensetzung von sowohl künstlerisch wie auch wissenschaftlich tätigen Stipendiat*innen.
Es kam sehr bald zu der Umsetzung meiner zentralen Konzeption, des themenfokussierten und transdisziplinären neuen Programms, was ich gemeinsam mit der KfW Stiftung aufgesetzt habe. In diesem Programm wurde über einen Zeitraum von neun Monaten an dem Thema der »Mutationen« gearbeitet. Sieben Künstler*innen und Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Fachrichtungen und unterschiedlichen kulturellen Hintergründen kamen an der Akademie Schloss Solitude zusammen. Im Zentrum stand der fachliche Austausch miteinander, mit anderen Stipendiat*innen und mit Expert*innen. Teil des Programms war die Frage nach der Distribution des entstandenen Wissens, was zu verschiedenen Formaten führte: unter anderem einer Ausstellung, einem Magazin, einer Vortragsreihe, und Web Residencies.
Strukturell war es mir wichtig, kollaboratives Arbeiten auf allen Ebenen zu ermöglichen und stärker voranzutreiben. Auch das Auswahlverfahren habe ich kollaborativ und divers gestaltet; durch eine multiperspektivische Besetzung und der Gründung einer Jury-Kerngruppe, mit der ich strategische wie auch inhaltlich-programmatische Themen entwickelte.
Ein zentrales Konzept von Elke aus dem Moore, ein thematisch fokussiertes und transdisziplinäres neues Programm, das sie in Zusammenarbeit mit der KfW Stiftung aufgesetzt hat, wurde während ihrer Zeit als Direktorin umgesetzt. In diesem Programm wurde über einen Zeitraum von neun Monaten zum Thema »Mutationen« gearbeitet. Sieben Künstler*innen und Wissenschaftler*innen aus unterschiedlichen Disziplinen kamen an der Akademie Schloss Solitude zusammen. Personen von links nach rechts: Angela Anderson, Rose Field, Joana Quiroga, Sabina Hyoju Ahn, Daniela Leykam, Clara Jo, Maxwell Mutanda, Elke aus dem Moore und Grayson Earle. Foto: Frank Kleinbach, Akademie Schloss Solitude 2020.
Das Projekt »War, bin, werde sein« von Ana María Gómez López und Grayson Earle, Stipendiaten*innen des transdisziplinären Programms »Mutations«, wurde beim Sommerfest 2021 präsentiert. Foto: Frank Kleinbach
Prasanna Oommen: Wie wichtig war dein Netzwerk, welches du mit an die Akademie gebracht hast?
Elke aus dem Moore: Das eigene Netzwerk ist immer sehr prägend und nährend. Begegnungen, wie die von dir eingangs erwähnten, sind auf eine Art immer energetisierend. Dies geht nicht verloren, sondern wird in der Regel weiterverfolgt, weitergetragen, in verschiedenen Konstellationen weiter ausgeführt und geformt. An der Akademie Schloss Solitude spielte mein großes internationales Netzwerk eine wesentliche Rolle, zum Beispiel in der Neubesetzung der Jury. Ebenso ist das weite lokale Netzwerk von großer Bedeutung für die Integration der fachlichen Kenntnisse und künstlerischen Positionen der einzelnen Stipendiat*innen in die lokale Kulturlandschaft.
Prasanna Oommen: Was bedeutet das konkret? Was musstest du dir aneignen in einem Bundesland und einer Landeshauptstadt, in welche du neu gekommen bist?
Elke aus dem Moore: Als Leiterin des Künstlerhauses Stuttgart lag mein Fokus sehr stark auf künstlerisch-kuratorischen Prozessen. Diese Ausrichtung hat sich mit den nachfolgenden Positionen am Institut für Auslandsbeziehungen und der Akademie Schloss Solitude etwas verändert. Die Kulturlandschaft in Stuttgart ist sehr gut aufgestellt, vor allem in einem Zusammenspiel der verschiedenen Institutionen und der freien, unabhängigen Kunst- und Kulturszene. Ein zentraler Aspekt meiner Arbeit an der Akademie Schloss Solitude war die Kooperation mit unterschiedlichen Partner*innen, sowohl unabhängiger Orte wie mit dem Produktionszentrum Tanz + Performance, dem Kunstverein Wagenhallen oder der Initiative Chloroplast, wie auch den Institutionen wie Staatstheater, Kunstmuseum, Staatsgalerie oder die Hochschule für Bildende Künste und diverse Initiativen der Stadtgesellschaft. So trägt die Akademie Schloss Solitude wesentlich dazu bei, den internationalen Austausch in Stadt und Land zu gewährleisten.
Prasanna Oommen: Welche Herausforderungen liegen denn darin, die Welt zu Gast zu haben und dieser gemeinsam mit den Kooperationspartner*innen eine temporäre Heimat zu bieten?
Elke aus dem Moore: Der Aspekt der Gastgeberschaft ist äußerst zentral für die Arbeit an der Akademie Schloss Solitude, wie auch vieler anderer Bildungsträger. Was bedeutet es, internationale Gäste in einer Stadt wie Stuttgart im Land Baden-Württemberg zu Gast zu haben, welche Verantwortung geht damit einher? Die Akademie Schloss Solitude hat in gewisser Weise Modellcharakter für ein gesellschaftliches Miteinander. Die Stipendiat*innen kommen mit sehr unterschiedlicher fachlicher Expertise, aus diversen kulturellen Hintergründen und mit unterschiedlichen Ansätzen und Definitionen von Zeit, Arbeit, Verbindlichkeit. Das kann zu spannenden Dialogen aber auch Missverständnissen führen und lädt dazu ein, zum Beispiel unterschiedliche Zeitmodelle zu diskutieren, wie etwa in dem jüngst erschienenen Solitude Journal »Time After Time«. Das Miteinander der Stipendiat* innen an der Akademie gründet sich nicht auf Konkurrenz, was wirklich hervorragend ist. Das erklärt auch weshalb Residenzprogramme modellhaft sind für die transkulturelle Gesellschaft, in der wir leben. Sie zeigen sich als äußerst resilient in Krisenzeiten.
Prasanna Oommen: Wie bist du denn mit Veranstaltungsformaten an der Akademie umgegangen? Welche Veranstaltungsformate waren aus deiner Sicht auch Formate, die tatsächlich eine Zugänglichkeit erleichtert haben, aber auch genau diesen internationalen und lokalen Verknüpfungsgedanken mit eingeschlossen haben?
Elke aus dem Moore: Insgesamt haben sich die Veranstaltungsformate etwas verändert. Für die Stipendiat*innen ist es wichtig, bereits während des Stipendiums die eigene Arbeit der Öffentlichkeit zu präsentieren. Was wir da verändert haben, sind stärker inhaltliche, thematische Gruppenkonstellationen, etwa das neue Format »Horizons«. Wir eröffnen damit neue Horizonte und Sichtweisen und ermöglichen es, künstlerische Arbeitsprozesse sichtbar zu machen. Das stellt eine Herausforderung dar in einem marktgesteuerten Kunstsystem, indem fertige Kunstwerke im Zentrum stehen, nicht aber die Prozesse und Bewegungen, die diese entstehen lassen.
In den fünf Jahren sind erstaunlich viele Festivals entstanden, die gemeinsam mit Kolleg*innen entwickelt wurden. Angefangen bei »Soft Power Palace«, einem Festival kuratiert von Paula Kohlmann, das die Bedeutung unabhängiger Kunstszenen in Europa feierte, das Osteuropa-Netzwerk der Solitude ins Zentrum stellte und mit anderen vernetzte. Auch »Membrane – African Literatures and Ideas« ist hier zu nennen, das gemeinsam mit dem Literaturhaus Stuttgart und dem Institut Français stattfand und noch heute nachklingt.
Zusammen mit Martina Grohmann vom Theater Rampe und Christine Fischer von Musik der Jahrhunderte haben wir »Die Irritierte Stadt« veranstaltet. Ein dezidiert transdisziplinäres Festival im öffentlichen Raum und mit der zivilgesellschaftlichen Expertise der Stadtgesellschaft heraus gedacht wurde. Weitere Partner*innen waren die Stadt Stuttgart mit dem Programm »Tanzpakt«, die Freie Tanz- und Theaterszene und das Produktionszentrum Tanz + Performance.
Im Haus wurde in Zeiten der Pandemie das digitale Festival »Magical Cohabitations« und die Zusammenkunft des internationalen und lokalen Netzwerkes des digitalen Programms der Solitude unter dem Titel »Fragile Solidarity – Fragile Connections« veranstaltet.
Prasanna Oommen: Stichwort Zugänglichkeit: Nun ist die Akademie rein von ihrer topografischen Lage nicht wirklich gut verknüpft mit der Stadtgesellschaft. Wie bringt man dies in Einklang mit den angestrebten Öffnungsprozessen?
Elke aus dem Moore: Die Akademie Schloss Solitude ist durch ihre geografische Lage in der Tat recht abgetrennt vom Stadtleben. Es kann auch eine Herausforderung sein, internationale Gäste in einer so abgelegenen Lage herzlich und warm willkommen zu heißen, was uns sicherlich immer wieder gelingt. Das Wohlbefinden der Stipendiat*innen ist zentral und auch, wie »sicher« man sich in der Stadt Stuttgart als internationaler Gast bewegen kann. Immer wieder gibt es Vorfälle von Diskriminierung, sogar auch von Racial Profiling, wenn sich Stipendiat*innen im öffentlichen Raum bewegen oder innerhalb Deutschlands reisen. Diese Vorfälle werden sofort aufgegriffen, angegangen, dokumentiert und gehen in die Landes-Statistik ein. Das ist mir, wie auch der gesamten Institution ein sehr großes Anliegen.
Prasanna Oommen: Nun sind wir mittendrin im Strukturellen. Kulturelle Institutionen stehen ja vielerorts vor der großen Aufgabe, diskriminierungsfreie Strukturen und Räume in allen Bereichen einer Institution zu schaffen. Wie kann das aktiv umgesetzt werden?
Elke aus dem Moore: Wichtig ist, dieses Thema ganz bewusst anzugehen, um auch die eigenen Mechanismen zu untersuchen. Bereits im ersten Jahr haben wir mit diskriminierungskritischen Fortbildungen begonnen, die vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg gefördert werden. Diese Transformationsprozesse, die ja von Individuen getragen werden, benötigen Zeit, Geduld und die Bereitschaft zur Auseinandersetzung. Ich denke heute sind wir an einem Punkt, wo ein Selbstverständnis innerhalb der Institution aufgebaut wurde. Mit allen Mitarbeitenden gemeinsam wurde ein Code of Conduct aufgesetzt, der für alle verbindlich ist, für die Mitarbeiter*innen sowie die Stipendiat*innen, Besucher*innen und Partner*innen.
»Der Paradigmenwechsel, der gerade stattfindet, speist sich vor allem aus dem Bedürfnis der Künstler*innen sich als soziales Subjekt, als Teil der Gesellschaft zu verorten und gesellschaftlich zu wirken. Das beinhaltet nicht nur die radikale Anerkennung des künstlerischen Arbeitens, sondern auch die Notwendigkeit, künstlerisches Denken in politische Entscheidungsprozesse einzubeziehen.« Sommerfest 2021. Foto: Frank Kleinbach
LET’S WRITE A CURSE (LASST UNS EINEN FLUCH SCHREIBEN) Ulla Heinrich, Andara Shastika im Gespräch mit Elke aus dem Moore and akiko soyja. Digital Solitude Festival »Fragile Solidarity/Fragile« Connections, Kunstverein Wagenhalle, 2022. Foto: Florian Model
Prasanna Oommen: Wenn wir über die Verantwortung von Kultureinrichtungen sprechen, wie kann man denn die einzelnen Institutionen dafür begeistern, an dem Thema Transformation zu arbeiten? Gerade auch wenn es um die Themen Ressourcenverteilungen, Zugehörigkeiten usw. geht.
Elke aus dem Moore: Der Paradigmenwechsel, der gerade stattfindet, speist sich vor allem aus dem Bedürfnis der Künstler*innen sich als soziales Subjekt, als Teil der Gesellschaft zu verorten und gesellschaftlich zu wirken. Das beinhaltet nicht nur die radikale Anerkennung des künstlerischen Arbeitens, sondern auch die Notwendigkeit, künstlerisches Denken in politische Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Darin sehe ich ein enorm wichtiges Potential für gesellschaftliche Weiterentwicklung. Die Kunst hat immer vorausgedacht, jenseits des Realisierbaren. Das ist eine sehr große Stärke.
Prasanna Oommen: Dies ist eine zukunftsweisende Forderung. Ich würde gerne genauer auf das Thema Finanzen blicken, vor allem im Hinblick auf Drittmittel. In deiner Zeit an der Akademie hast du sehr viele Drittmittel eingeworben, was auch Vorbildcharakter hat, da es angesichts der Haushaltslage in den nächsten Jahren immer wichtiger werden wird. Wie wichtig war dir im Speziellen dieses Thema?
Elke aus dem Moore: Eine öffentlich finanzierte Institution sollte möglichst auf mehreren Säulen der Finanzierung aufgebaut sein. So war es mir von Beginn an wichtig, neben der zentralen Förderung des Landes Baden-Württemberg auch andere öffentliche Mittel aus Stadt, Bund und EU zu akquirieren, sowie von anderen Stiftungen. Eine dritte Säule ist das private Engagement.
Das ist sehr wichtig, da wir hier zu Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine mit geringem bürokratischem Aufwand sehr kurzfristig geflüchteten Künstler*innen aus der Ukraine helfen konnten. Ein weiterer sehr zentraler Aspekt ist die Kooperation. Kooperationen ermöglichen ein Zusammenspiel verschiedener Netzwerke und stellen damit eine große Bereicherung dar, außerdem ermöglichen sie ein solidarisches Miteinander. Die KfW Stiftung war von Beginn an ein idealer Partner der Neuausrichtung und des damit verbundenen themenfokussierten Programms »Mutations«.
Prasanna Oommen: Abschließend würde ich gerne wissen, was du dir zukünftig für die Akademie wünschst und ob du schon sagen kannst, wo dein weiterer Weg dich hinführt?
Elke aus dem Moore: Die Akademie Schloss Solitude ist ein wirklich wunderbarer brodelnder Ort, der getragen wird durch das große Engagement des Teams und den diversen Perspektiven der Stipendiat*innen und der Partner*innen. In den letzten Jahren sind Grundvoraussetzungen für Öffnungsprozesse und die Zugänglichkeit der Akademie geschaffen worden, die weiter ausgebaut werden können.
Zentral ist, dass künstlerisches Forschen, die künstlerischen Produktionen und Prozesse, die an der Akademie Schloss Solitude entstehen, zugänglich gemacht werden können. Mit dem Programm »Weiterkommen«, einem Förderinstrument des Zentrums für kulturelle Teilhabe Baden-Württemberg, haben wir nicht nur projektorientiert an der Veränderung gearbeitet, sondern im Prinzip gemeinsam mit dem Team, den Stipendiat*innen und Vertreter*innen der Stadtgesellschaft an einem neuen Leitbild für die kulturelle Teilhabe gearbeitet. Damit sind wir auch wieder bei der Festschreibung, dem Versuch Transformationen nicht nur zu formulieren, sondern auch zu schauen, wie diese ressourcenmäßig umgesetzt werden. Dies ist zentrales Element für eine Institution, welche das Potenzial der gesellschaftlichen Veränderung birgt – über ihre Ressourcenverteilung zu sprechen und damit verantwortungsvoll umzugehen.
Prasanna Oommen: Welche Prozesse möchtest du nach deiner Amtszeit initiieren?
Elke aus dem Moore:Seit 25 Jahren wirke ich nun in Institutionen und meine Expertise fließt in die Weiterentwicklung sowohl im programmatischen wie auch strukturellen Bereich ein. Was sind die zentralen Fragen: Was braucht es jetzt in dieser Zeit der Transformation, die wir gerade alle erleben? Es ist nicht nur ein gesellschaftlicher Wandel, der gerade stattfindet, sondern einer auf viel größerer Ebene. Wie sind die Auswirkungen des Anthropozäns noch steuerbar, um auf diesem Planeten ein Fortdauern des Lebens gewährleisten zu können? Was braucht es, um Veränderung zu ermöglichen?
Ich werde mich zukünftig weiterhin diesen Fragen widmen und neue Formen der Umsetzung erarbeiten, um das Wirken von künstlerischem Denken, Handeln und Forschen in die Gesellschaft zu tragen. Darauf freue ich mich.
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Beteiligte Person(en)
Elke aus dem Moore in conversation with Sarie Nijboer
Elke aus dem Moore, Denise Helene Sumi, Lara Treffeisen
Interview with Elke aus dem Moore