Foto: Maan Barua, An Amphibious Urbanism, 2023-2024.
Im Rahmen des Autorschafts-Projekts initiiert die Akademie Schloss Solitude zusammen mit ihren ehemaligen und jetzigen Stipendiaten eine Debatte über den Status des Autors im 21. Jahrhundert und den damit verbundenen Fragen zu Urheberschaft und Copyright. Die Veranstaltung »Custodians.online – Der Kampf um die Zukunft von ›Schatten‹-Bibliotheken und den uneingeschränkten Zugang zu Wissen« ist Teil der Auseinandersetzung, mit der die Akademie ihren Stipendiaten die Möglichkeit gibt, verschiedene, bereits über viele Jahre bestehende Positionen zu dieser Thematik zu artikulieren.
Die Möglichkeiten für einen umfassenden Zugang zu Kultur und Wissen haben sich durch die Entwicklung der digitalen Netzwerke enorm erweitert, was einen Großteil der Weltbevölkerung dazu befähigt, auf die aktuellsten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse zugreifen zu können. Zugleich basiert das Copyright jedoch noch immer auf dem Prinzip der Exklusivität. Dies ermöglicht Unternehmen mithilfe digitaler Technologien den Zugang zu Daten einzuschränken und enorme Gewinne zu erzielen. Nirgendwo sonst ist dies offensichtlicher als bei wissenschaftlichen Verlagen, einer 10 Milliarden schweren globalen Industrie. Das hat den Ausschluss aller zufolge, die keinen Zugang zu den Bibliotheken der gutsituierten akademischen Institutionen haben, und sich zwangsläufig den Zugang zu Wissen unter Missachtung rechtlicher Bestimmungen verschaffen müssen.
Ein prominentes Beispiel dieses Dilemmas ist eine einstweilige Verfügung, die ein New Yorker Gericht im Oktober 2015 zugunsten von Elsevier aussprach. Dem weltgrößten Wissenschaftsverlag wurde damit erlaubt, die Webplattformen Sci-Hub und Library Genesis zu sperren, welche weltweit einen uneingeschränkten Zugang zu wissenschaftlichen Journalen und Büchern für viele Studierende, AkademikerInnen und Menschen außerhalb der Wissenschaft ermöglichten. Für Alexandra Elbakyan, Gründerin von Sci-Hub, wirft dieser Fall fundamentale Fragen hinsichtlich des Zugangs zu Wissen und Kultur auf: »Wenn Elsevier es schafft, unsere Projekte einzustellen oder in das Darknet zu drängen, offenbart das einen folgenschweren Gedanken: dass die Öffentlichkeit kein Recht auf Wissen hat.« Infolge der Sperrung veröffentlichte eine informelle Gruppe von AktivistInnen, die Schattenbibliotheken unterstützen, einen Aufruf zum zivilen Ungehorsam. Dieser forderte alle, die ihre Arbeiten hinter dem Rücken der Verlage publizieren, Bezahlschranken umgehen, Publikationen teilen und Archive unterhalten – mit anderen Worten Hüter der Wissensallmende – dazu auf, öffentlich für das allgemeine Recht auf Zugang zu Wissen einzustehen.
In Diskussion mit den UnterzeichnerInnen wird Balázs Bodó, Ökonom und Piraterieforscher am Institute for Information Law (IViR) an der Universiteit van Amsterdam, Erkenntnisse aus seiner Forschung zu »Schatten«-Bibliotheken präsentieren. Im Anschluss werden die ehemaligen StipendiatInnen Marcell Mars, Tomislav Medak und Femke Snelting den Custodians.online-Letter vorstellen.
Die Veranstaltung ist Teil des Public Library-Projekts und findet statt im Rahmen des Programms art, science & business.
TeilnehmerInnen des Public Library-Treffens:
Clemens Apprich, Leuphana Universität Lüneburg/Deutschland
Balázs Bodó, Institute for Information Law, Amsterdam/Niederlande
Ted Byfield, unabhängiger Wissenschaftler, Moderator bei ‹nettime›, New York, NY/USA
Gary Hall Coventry University, Coventry/Großbritannien
Rosemary Grennan, MayDay Rooms, London/Großbritannien
Antonia Majača, Institut für Zeitgenössische Kunst der TU Graz/Österreich
Marcell Mars, Tomislav Medak, Public Library/Multimedia Institute, Zagreb/Kroatien
Femke Snelting, Constant, Brüssel/Belgien
Felix Stalder, Zürcher Hochschule der Künste, Zürich/Schweiz
Dennis Tenen, PiracyLab/Columbia University, New York
Milica Tomić, Institut für Zeitgenössische Kunst der TU Graz
Alan Toner, politischer Aktivist, Berlin/Deutschland
Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt. Der Eintritt ist frei.
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