Foto: Maan Barua, An Amphibious Urbanism, 2023-2024.
Am Donnerstag, dem 21. November 2013 um 20 Uhr eröffnet die Akademie die Gruppenausstellung »Architecture & …« mit Beiträgen von vierzehn aktuellen und ehemaligen Stipendiatinnen und Stipendiaten.
Zur Eröffnung führt Andreas Quednau, Professor für Architektur an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, in die Ausstellung ein. Im Anschluss wird Evan Gardners Neufassung seiner Komposition Variations on a Theme by John Cage für Klavier und Elektronik uraufgeführt.
Mit Arbeiten von Ellie Abrons, Architektin, Boston/USA, Ursula Achternkamp, Bildende Künstlerin, Leipzig, Joshua Edwards & Lynn Xu, Schriftsteller, Marfa/USA, Patricia Esquivias, Bildende Künstlerin/Filmemacherin, Madrid/Spanien, Martin Knöll, Architekt, Stuttgart, Rebecca Loewen, Architektin, Winnipeg/Kanada, Mitch McEwen, Architektin, New York/USA, OFFSEA – office for socially engaged architecture (Anuschka Kutz, London/GB & Andrea Benze, Berlin), Studio UMSCHICHTEN (Lukasz Lendzinski & Peter Weigand), Architekten, Stuttgart, mit Roberto Santaguida, Filmemacher, Toronto/Kanada, Katharine S. Willis, Architektin, London/GB, Alan Worn, Architekt, London/GB.
Viel früher als Künstler, die sich erst im Laufe des 20. Jahrhunderts soziale und exakte Wissenschaften »einverleibt« und dadurch das Feld der Kunst erweitert haben, haben sich Architekten andere Disziplinen angeeignet, die sie in ihrer Praxis bei der Produktion und der Perzeption von Raum einsetzen. Die Gruppenausstellung »Architecture & …«, an der sich vierzehn Stipendiaten der Akademie Schloss Solitude beteiligen, zeigt einige der zahlreichen Möglichkeiten, Architektur mit anderen Techniken, Wissenschaften oder Kunstsparten zu kombinieren.
»Architecture & … Illusion«
Seit der Antike wissen Architekten wie Räume durch Illusionen erzeugt werden können. In ihrem Projekt Peep Peep knüpft Ellie Abrons an die historischen Techniken von Maschinen zur Erzeugung von Illusionen wie Dioramen, oder wie dem katoptrischen Theater von Athanasius Kirchner an.
Mit vergleichbaren Gedanken spielt Rebecca Loewen, deren Concave Door, eine gekrümmte Drehtür, zugleich als zwei- und dreidimensional wahrgenommen wird. Ihre Konstruktion wird zum Platz der Entfremdung und der Fiktion, der je nach Wahrnehmung zum Verweilen oder zum Durchlaufen einlädt.
»Architecture & … Urban Condition«
Mit dem Begriff der Condition Urbaine beschrieb der Soziologe Henri Lefebvre Anfang der 70er Jahre das komplexe Lebenssystem und die vielfältigen Interaktionen zwischen Menschen und der Infrastruktur, die sie umgibt, ob gebauter, wirtschaftlicher oder sozialer Natur. In dem Film, den er mit einer Gruppe von Stuttgarter Kindern im Vorfeld der Ausstellung gedreht hat, stellt sich Martin Knöll folgende Frage: Welche Condition Urbaine erleben junge zuckerkranke Kinder, deren Leben je nach Ort und Situation vom Management ihrer eigenen Krankheit abhängt?
In ihren urbanen Portraits stellen Andrea Benze und Anuschka Kutz (OFFSEA) die Alltagstaktiken älterer Menschen vor, deren Condition Urbaine aus Gewohnheiten, Ritualen und Erinnerungen besteht. Wie reagieren sie auf die permanente Transformation der Umwelt, mit der sie konfrontiert werden? Beide Projekte beziehen sich konkret auf Stuttgarter Situationen und Einwohnergruppen.
In einer Intervention für das Musiktheaterprojekt Der Turm zu Babel (Aufführung am 16. November im Theater Rampe) konzipierten Peter Weigand und Lukasz Lendzinski eine mobile Bühne, die von den Teilnehmern aktiviert und bewegt werden kann und zum Symbol sozialer Interaktion in einem urbanen Kontext wird. Ihr Ausstellungsbeitrag dokumentiert diese Aktion mit Fotos, Skizzen und einem Videofilm. Die Bühne selbst ist Teil der Ausstellung.
»Architecture & … Traces«
Was wird in die Zukunft projiziert von einem Projekt, das sich noch »in reinen Gedanken abspielt«? In ihrem kollaborativen Projekt Architecture for Travelers haben Lynn Xu, Alan Worn und Joshua Edwards vor, eine bevorstehende 1.000 Kilometer lange Wanderung durch die USA mit Fotos, Texten, Skizzen und einer Publikation zu dokumentieren. Sie stellen die Skizzen und Ideen vor, die sie im Vorfeld als Spuren der Zukunft auffassen.
Von Spaziergängen, deren Verläufe mit GPS festgelegt werden können, bleiben als Spuren des Erwanderten dünne, unbeständige Zeichnungen, die die Grenzen zwischen dem Sich-Orten-Können und dem Verloren-sein zu markieren scheinen. Aus dieser zugleich technologischen und poetischen Feststellung entwickelte Katharine S. Willis eine App für Kinder, die ihnen erlaubt, den Wald (in dem Fall den Stuttgarter Wald) anders zu erleben.
Auch fertige Gebäude können als Spuren von Architektur aufgefasst werden, die von einer anderen Zeit zeugen, als Architektur sich zur Fortschritt und Modernität bekannte. So sieht die Künstlerin Patricia Esquivias die teilweise leerstehenden Gebäude des spanischen Architekten Fernando Guarrido, deren naive Radikalität uns heute überholt zu sein scheinen: seltsame Spuren, zugleich nostalgisch und naiv, betrübt von der Erinnerung an die Franco-Diktatur …
»Architecture & … The Design Process«
In dieser Sektion entsprechen die Paarungen von »Architecture & …« der herkömmlichen Arbeitsweise von Architekten, für die die Produktion von Raum immer noch von Form und Material bedingt wird. Mit dem Prototypen eines interaktiven Wandsystems, das unter Einsatz der eigens dafür entwickelten Software Primate zeigt Mitch McEwen eine transparente Oberfläche, deren Struktur auf Handbewegungen reagiert und sich je nach Geste verformen, öffnen oder schließen, kann. Dank dieser Technologie gehen Gestik, Beleuchtung, Dichte und Transparenz mit individueller und sozialer Erfahrung einher.
Mit ihrem Kollektiv Chicks on Speed benutzt Ursula Achternkamp das Leben der Hühner im Hühnerstall als Metapher, um einen anderen Blick auf die Folgen der Industrialisierung und der Vereinfachung architektonischer Sprache zu werfen. »Aus der Vogelperspektive«, so die Künstlerin, bekommen die Besucher der Ausstellung »einen Einblick in die Ideen der ursprünglichen Planungen der 1920er Jahre und in die heutige Bauweise von Wohnsiedlungen«.
Alan Worns Arbeiten Components, die Teil einer größeren Serie von Skulpturen sind, erkunden grundsätzliche Fragen der Geometrie, der Wiederholung und der Farbgebung. Damit schafft Alan Worn eine ihm eigene Sprache, die sich als solche in der Autonomie seiner Skulpturen behauptet oder sich später in seinen Architekturentwürfen niederschlägt.
Dauer der Ausstellung:
22. November 2013–22. Januar 2014 (mit Unterbrechung vom 21.12.2013 bis 06.01.2014).
Die Ausstellung wird von einer Reihe von Performances, Lesungen und Workshops begleitet, bei denen sich die Mitwirkenden unter anderem mit den Themen »Architecture & … Sounds«, »Architecture & … Long Distances« sowie »Architecture & … Regional Development« auseinandersetzen werden.
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BEGLEITPROGRAMM
Freitag, 22. November 2013, 20 Uhr
»Architecture & … Long Distances«
Künstlergespräch via Skype
Josh Edwards und Lynn Xu, Schriftsteller (Marfa/USA) mit Alan Worn, Architekt (London/Großbritannien)
Donnerstag, 28. November 2013, Vorträge 14 Uhr, Performance 19 Uhr
»Architecture & … Muitas Vozes (Many Voices) or How to Build Localities«
Ein interdisziplinärer Dialog zum Thema regionale Entwicklung mit Vorträgen, Diskussionen und Performances.
Mit Vorträgen von Marcelo Cardoso Gama, Regisseur, Wien/Österreich, Aleksandar Bede, Architekt, Novi Sad/Serbien, Cristina Toth Sydow, Wirtschaftswissenschaftlerin, São Paulo/Brasilien, Prof. Dr. Celina Souza, Professor für öffentliche Verwaltung an der Universidade Federal da Bahia, Brasilien, Dr. Thomas Stahlecker, Leiter der Geschäftsfelds Regionen und Cluster, Fraunhofer-Institut für System-und Innovationsforschung ISI, Karlsruhe, PD Dr. Dieter Rehfeld, Direktor des Forschungsschwerpunkts Innovation, Raum & Kultur, Institut Arbeit und Technik, Gelsenkirchen, Nina Fritz, Projektmanagerin Steinbeis-Europa-Zentrum, Stuttgart.
Im Rahmen des Programms art, science & business.
Donnerstag, 5. Dezember 2013, 20 Uhr
»Architecture & … Ruins«
Performance in,fi,nie
Mit Anne Kawala, Schriftstellerin (Nantes/Frankreich).
Mittwoch, 11. Dezember 2013, 20 Uhr
»Architecture & … Ways out«
Performanceabend
Spinoza in China. Ernesto November 3, 2011
Mit Marc Perrin, Schriftsteller (Nantes/Frankreich).
CPR Practice (Cardiopulmonary Resuscitation, zu deutsch Herz-Lungen-Wiederbelebung)
Mit Geumhyung Jeong, Performerin/Choreografin (Seoul/Südkorea).
Donnerstag, 19. Dezember 2013, 20 Uhr
»Architecture & … Sounds«
Konzert
Die Mitglieder des Ensemble]h[iatus präsentieren Improvisationen sowie Werke von Peter Jakober, Komponist, Wien/Österreich und Jennifer Walshe, Komponistin, Dublin/Irland.
Das Projekt »Architecture & …« wurde konzipiert und koordiniert unter Mitwirkung von Marlène Perronet, Stipendiatin für Kunstkoordination, Leipzig und Patrick Ritter, Koordinationsstipendiat im Programm art, science & business, Tübingen.
an Veranstaltung(en) beteiligt